
Jede Herausforderung macht uns agiler
RBI-Vorstand Valerie Brunner über geopolitische Fragmentierungen, Nachhaltigkeit und die Rolle von Banken.
Die aktuellen geopolitischen und geoökonomischen Geschehnisse stellen europäische, und somit auch österreichische, Unternehmen in mehrfacher Hinsicht vor Herausforderungen. „Sie müssen sich an eine geopolitische Fragmentierung gewöhnen, wobei die Blöcke, nämlich EU und einige G7 Länder, USA sowie China, nicht ganz trennscharf sind. Zugleich gibt es viele neutrale Länder, womit sich die Komplexität im Handel und bei Investitionen erhöht“, sagt Valerie Brunner, im Vorstand der Raiffeisen Bank International (RBI) für die Kundenbeziehungen im Corporate und Investmentbanking zuständig. Unternehmen müssten sich somit vom Denken verabschieden, dass jegliche Güter und Rohstoffe jederzeit auf dem Weltmarkt frei verfügbar seien. „Unsere Kunden beschäftigen sich seit Monaten mit den Auswirkungen der neuen geopolitischen Rahmenbedingungen auf ihr Business. Mit unserem Angebot in den Bereichen Export- und Handelsfinanzierung, Absicherungslösungen sowie maßgeschneiderten Working Capital Lösungen unterstützen wir sie dabei, auch im aktuell volatilen Umfeld zu reüssieren“, so die Bankerin, für die in der Kombination aus strategischer Klarheit und Anpassungsfähigkeit der Schlüssel zum Erfolg in einer sich ständig wandelnden Welt liegt. Aber auch der Industriestandort Europa steht ihr zufolge unter Druck: „Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass er im globalen Wettbewerb zurückgefallen ist. Es ist daher essenziell, Europa und Österreich im Standortwettbewerb wieder zu stärken“, sagt Brunner.
Für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen sind die derzeitigen globalen Rahmenbedingungen ebenfalls durchaus herausfordernd. Dabei sei, so Brunner, die Klimaerwärmung eine Tatsache und der Umgang damit ein Wettlauf gegen die Zeit. „Die EU bekennt sich weiterhin zum Klimaschutz und hat ein rechtliches ESG-Rahmenwerk geschaffen, das durch das Omnibus-Paket vereinfacht und praxisnäher gestaltet werden sollte.“ Auch andere Länder, wie China, Brasilien, Türkei oder Japan, hätten rechtliche ESG-Offenlegungsverpflichtungen implementiert. „Die USA haben sich hingegen vom Pariser Klimaabkommen verabschiedet und damit ein klares Signal gesendet“, stellt Brunner fest. Die globale Neuordnung biete dennoch auch die Möglichkeit, Nachhaltigkeit als wichtigen Bestandteil von wirtschaftlicher Erholung, Resilienz und Stabilität zu positionieren. „Die EU-Kommission verfolgt durch die gezielte Förderung von Investitionen in grüne Technologien und Infrastruktur sowohl wirtschaftliches Wachstum als auch konkrete Klimaziele“, erklärt Brunner. Und sie nennt dazu konkrete Zahlen: Demnach müssten Schätzungen zufolge allein in Zentral- und Osteuropa bis 2050 rund 740 Milliarden Euro in die Infrastruktur für erneuerbare Energien investiert werden, um im 1,5-Grad-Ziel zu bleiben. „Die Energiewende erfordert weiters Verbesserungen der Energieeffizienz und umfassende Elektrifizierung. Auch dies wird hohe Investitionen, beispielsweise in der europäischen Industrie, erfordern“, sagt Brunner, die in diesem Zusammenhang Banken eine „bedeutende Rolle“ einräumt. Diese würden nicht nur Finanzierungen bereitstellen, um innovative Projekte und Technologien zu unterstützen. So habe beispielsweise das Volumen der von der RBI für Investitionsprojekte im Bereich erneuerbare Energien ausgereichten Finanzierungen für Unternehmens- und institutionelle Kunden Ende 2024 rund 1,1 Milliarden Euro betragen. „Banken können weiters Investoren und Industrie am Kapitalmarkt zusammenbringen sowie alternative Finanzierungsprodukte, etwa grüne Schuldscheindarlehen oder grüne Anleihen, strukturieren, und zu verfügbaren EU-Förderungen beraten“, erklärt sie.
So komplex die Lage derzeit auch ist, Brunner ist dennoch optimistisch: „Ich bin überzeugt, dass wir aus jeder Krise wertvolle Erkenntnisse zur noch besseren Begleitung im Dialog mit unseren Kunden gewinnen. Letztlich stärkt uns jede Herausforderung und macht uns agiler für die Zukunft.“