
Franz Zobl
Senior Economist
Als Trump am 20. Januar 2025 sein Amt antrat, hatten die Finanzmärkte eine klare Vorstellung von den Auswirkungen seiner zweiten Amtszeit. Der sogenannte Trump Trade, der sich spätestens Anfang November 2024 abzuzeichnen begann, implizierte steigende Aktienmärkte, höhere Anleihe-Renditen und eine Aufwertung des US-Dollars. Dies beschreibt die Erwartungen insbesondere an die US-Märkte. Für Europa war das Bild differenzierter. Die Abwärtsrisiken für den konjunkturellen Ausblick Europas dominierten die Debatte und führten zu der Erwartung einer relativen Underperformance der europäischen Aktienmärkte, einer Outperformance deutscher Staatsanleihen als sicherer Hafen und einer Abwertung des Euro. Wenn man auf die ersten Monate der Amtszeit Trumps zurückblickt, könnte die Realität nicht unterschiedlicher sein. Der US-Aktienmarkt korrigierte, der europäische Aktienmarkt konnte zuerst Boden gut machen stieg dann aber in den globalen Trend ein, Renditen von US- sowie DE-Staatsanleihen sind gesunken und der EUR/USD-Wechselkurs legte merklich zu.
Die Erfahrungen der letzten Monate zeigen nochmals deutlich, dass ein aktives Management von Risiken für den langfristigen Erfolg unerlässlich ist. Selbst gut informierte Akteure können von wirtschaftlichen oder politischen Schocks überrascht werden. Und es ist zu erwarten, dass nicht nur die letzten Jahre, sondern auch die kommenden Jahre von unvorhergesehenen Ereignissen geprägt sein werden. Der Grund dafür ist, dass die politische Unsicherheit weltweit so hoch ist wie nie zuvor. Trump hat daran einen großen Anteil. Seine außergewöhnlich sprunghafte Herangehensweise an die internationale Diplomatie hat sich im Vergleich zu seiner ersten Amtszeit noch verstärkt. Seine Handelspolitik ist das beste Beispiel dafür. Die Unsicherheit über Handelspolitik ist auf das höchste Niveau der Nachkriegsgeschichte gestiegen.
Betrachtet man die Handelspolitik, ist es erstaunlich zu sehen, wie rasch Trump die globale Ordnung auf den Kopf stellen konnte. Die Debatte über die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen des Handelskriegs hat sich zunehmend auf die USA und nicht auf ihre Handelspartner konzentriert. Befürchtungen, dass die US-Wirtschaft in eine Rezession schlittern könnte, wurden dominanten Thema an den Märkten, und zwar deutlicher als in Europa. Es ist jedoch wichtig die Ausgangslage im Auge zu behalten. An den Finanzmärkten müssen Kursänderungen im Verhältnis zu den zuvor gehegten Erwartungen betrachtet werden. Und hier blickt die US-Wirtschaft auf ein sehr erfolgreiches Jahr 2024 zurück. Die US-Wirtschaft entwickelte sich solide. In Europa hingegen blieb das Wirtschaftswachstum hinter den Erwartungen zurück, da der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung nicht eintrat. Mit Blick in die Zukunft haben die negativen Wachstumseffekte des Zollschocks die Wirtschaftsaussichten für die USA stärker verändert als für Europa. Einfach aufgrund der Tatsache, dass die Erwartungen an die US-Wirtschaft von Anfang an viel vorteilhafter waren.
Während eine Hinwendung zum US-Protektionismus für die wirtschaftlichen Aussichten Europas immer als negativ und für die Inflationsaussichten Europas als zweideutig angesehen wurde, wurde sie für die Verbraucher in den USA als inflationsfördernd angesehen. Für die US-Geldpolitik bedeutet dies, dass die Fed Aufwärtsrisiken für ihr Inflationsmandat gegen Abwärtsrisiken für ihr Arbeitsmarktmandat abwägen muss. Keine leichte Aufgabe, insbesondere wenn man bedenkt, dass der letzte Inflationsschock noch nicht lange zurückliegt. Die Fed könnte daher vorsichtiger sein, wenn es darum geht, die steigende Inflation zu „auszusitzen“. Dies bedeutet nicht unbedingt, dass Zinserhöhungen unmittelbar bevorstehen, sondern eher ein vorsichtigeres Vorgehen bei Zinssenkungen. In Erwartung eines schwierigen Inflationsumfelds hat die Fed die Leitzinsen im Jahr 2025 bisher nicht gesenkt, und wir gehen davon aus, dass dies auch für den größten Teil des Jahres so bleiben wird. An den Finanzmärkten begann man, Zinssenkungen für die zweite Jahreshälfte einzupreisen, als US-Rezessions-Debatten zunahmen. Für die Fed wird das Jahr 2025 ein Balanceakt sein. Wenn sich die Wirtschaft nur verlangsamt, aber nicht in eine Rezession abgleitet und gleichzeitig der Inflationsdruck wieder zunimmt, könnte der Zinsmarkt derzeit zu optimistisch für Zinssenkungen positioniert sein. Für die Aktienmärkte, die aufgrund der Rezessionsängste korrigierten, bedeutet dies, dass der Fed-Put dieses Mal möglicherweise nicht eingezogen wird. Einerseits bleibt der langfristige Ausblick für US-Aktien konstruktiv, solange die US-Wirtschaft eine Rezession vermeidet. Andererseits könnten die Zinssätze in den kommenden Monaten Gegen- statt Rückenwind für die Aktienmärkte bedeuten.
In Europa, Trump ist aber nicht nur Zoll. Europa war in den ersten Wochen der Trump-Präsidentschaft vollauf damit beschäftigt, Trumps Vorstoß für ein Friedensabkommen zwischen der Ukraine und Russland zu verfolgen. Die Haltung der USA gegenüber der Ukraine unter Trump kann im Vergleich zu Bidens Haltung als Kehrtwende bezeichnet werden. Europäische Staats- und Regierungschefs waren schockiert und begannen, die Sicherheitsgarantien der USA innerhalb der NATO in Frage zu stellen. Auf den Finanzmärkten sorgten die Aussichten auf ein Friedensabkommen und die zumindest teilweise Aussetzung der Sanktionen für eine Stimmungsaufhellung. Die europäischen Aktienmärkte erholten sich, die Energiepreise begannen zu sinken und der Euro gewann an Wert. Angesichts der aktuellen Markt-Positionierung stellt sich die Frage, ob eine schnelle, aber dauerhafte Lösung möglich ist. Der Druck der USA allein wird nicht ausreichen, und so besteht die Gefahr, dass die Finanzmärkte in ihrem Optimismus enttäuscht werden.
Was der Druck der USA jedoch erreicht hat, ist ein Umdenken in Bezug auf die europäische Sicherheitspolitik und die Militärausgaben. Deutschland ist das beste Beispiel. Unter Kanzler Merz hat Deutschland die Schuldenbremse aufgeweicht, indem es im Grunde unbegrenzte Militärausgaben plus ein Sonderbudget zur Infrastruktur zulässt. Es ist Deutschlands „whatever it takes“-Moment, so Merz. In Kombination mit der Flexibilität Brüssels bei den Regeln für Defizite/Staatsschulden für die EU als Ganzes löste der Vorstoß Europas, die Sicherheit ernst zu nehmen, eine Neubewertung an den Märkten für Staatsanleihen und eine Aufwertung des Euro aus. Einerseits erhöhen schuldenfinanzierte Staatsausgaben das erwartete Angebot an Anleihen auf dem Markt. Andererseits ist es auch ein fiskalischer Stimulus für das Wirtschaftswachstum und damit für die Inflation. Die Neubewertung an den Anleihemärkten ging mit höheren Renditen für Staatsanleihen einher, insbesondere bei Anleihen mit längerer Laufzeit. Die Renditekurve versteilte sich merklich.
Während die Fiskalpolitik und eine Flut an öffentlichen Anleihe-Emissionen ein entscheidendes Thema auf den europäischen Anleihemärkten darstellt, ist es interessant zu sehen, dass dies kein zentrales Marktthema in den USA ist. Die USA befinden sich seit Jahren auf einem nicht nachhaltigen Kurs der Staatsverschuldung, und weder Demokraten noch Republikaner scheinen sich darüber Sorgen zu machen. Doch selbst für Trump ist der tatsächliche fiskalpolitische Spielraum gering, und seine Initiativen könnten sich zunächst darauf beschränken, die Steuersenkungen aus seiner ersten Amtszeit zu verlängern. Ob die Zollpolitik ihm die gewünschten Einnahmen bescheren wird, bleibt abzuwarten. Der nicht-nachhalte Pfad der öffentlichen Finanzen spricht für kurzfristige Volatilität und tendenziell steigende Renditen am US-Treasury-Markt, insbesondere in Zeiten in denen der Status des US-Dollars als globale Reservewährung angezweifelt wird. In einem noch ungünstigeren Szenario könnte das Vertrauen in das US-Finanzsystem untergraben und der US-Dollar noch weiter geschwächt werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in den ersten beiden Monaten der Amtszeit Trumps doch Vieles anders gekommen ist als allgemein erwartet wurde. In Zeiten erhöhter politischer Unsicherheit und häufiger auftretender Schocks, selbst in Industriestaaten, ist ein offener Umgang mit Risikoszenarien ein entscheidender Aspekt. Bisher haben die Finanzmärkte mit „bekannten Unbekannten“ zu kämpfen. Ein guter Umgang mit diesen wird wichtig sein, um die Flexibilität im Umgang mit „unbekannten Unbekannten“ zu bewahren.
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