
Westbalkan: Der EU-Traum zwischen Hoffnung, Handel und Hindernissen
Der westliche Balkan, eine seit jeher mit der Europäischen Union verflochtene Region, steht vor einem grundlegenden Wandel. Basis dafür sind der umfassende EU-Wirtschafts- und Investitionsplan (Economic and Investment Plan, EIP) sowie der EU-Wachstumsplan (European Growth Plan, EGP), die der Region zu nachhaltigem Wachstum und einer tieferen und schnelleren Integration in die EU verhelfen sollen. Der EIP adressiert die drängenden Herausforderungen der Region, wie etwa Abwanderung von jungen Talenten, und konzentriert sich auf Schlüsselbereiche wie nachhaltigen Verkehr, saubere Energie, Digitalisierung, Wachstum des Privatsektors und Entwicklung des Humankapitals.
Wirtschaftliche Auswirkungen und Finanzierung
Der 2020 gestartete EIP wird durch eine beträchtliche finanzielle Verpflichtung in Höhe von 9 Milliarden Euro im Rahmen des Instruments für Heranführungshilfe (IPA III) unterstützt. Ergänzt werden diese Mittel durch die Westbalkan-Garantie, die Investitionen von bis zu 20 Mrd. EUR mobilisieren könnte. Die Kombination dieser Initiativen soll das BIP-Wachstum in der Region um etwa 1,3 % pro Jahr steigern.
Die EU legt im EIP großen Wert auf die Stärkung des Privatsektors, in Anerkennung seiner wichtigen Rolle bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und Wirtschaftswachstum. Rückgrat dieses Sektors sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Sie machen 99 % aller Firmen aus, erwirtschaften rund 65 % der Wertschöpfung des Unternehmenssektors und stellen 73 % der Arbeitsplätze. Die EU plant, den Zugang zu Finanzmitteln und Risikokapital für KMU durch verschiedene Programme und Garantiesysteme zu verbessern. Ein Gemeinsamer Regionaler Markt (Common Regional Market) könnte weitere wirtschaftliche Vorteile bringen, etwa ein zusätzliches BIP-Wachstum von 6,7 %, wie eine Studie der Weltbank zeigt. 50 % der EU-Mittel für den Privatsektor sollen dabei in Innovation und grünes Wachstum fließen, um eine nachhaltige Entwicklung zu fördern.
Rechtsstaatlichkeit und EU-Integration
Rechtsstaatlichkeit ist ein Eckpfeiler, um ausländische Direktinvestitionen anzuziehen und die wirtschaftliche Erholung der westlichen Balkanländer zu fördern Im Rahmen der leistungsbezogenen Bewertung passt die EU die Finanzierung je nach Fortschritt bei den Reformen an. Werden sie wirksam umgesetzt und nähern sich die Länder stärker an die EU an, erlangen sie schneller Zugang zum EU-Markt sowie zu EU-Programmen.
Zu den wichtigsten Reformbereichen gehören der freie Kapitalverkehr, die Verringerung der Steuerlast und erschwingliche grenzüberschreitende Zahlungen. Der Beitritt zum einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum (SEPA) ist in Vorbereitung. Mit Initiativen wie der Liberalisierung des Handels, dem regionalen elektronischen Handel, einem einheitlichen Tourismuspaket und verbesserten Wertschöpfungsketten in der Automobilindustrie sollen außerdem weitere ausländische Direktinvestitionen angezogen werden.
Eines der drängendsten Probleme in den westlichen Balkanländern ist der starke Fachkräfteverlust, insbesondere unter der Jugend. Vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit hat die Region in der Vergangenheit eine erhebliche Abwanderung erlebt, etwa aus Bosnien und Herzegowina, dem Kosovo und Albanien. Junge Menschen, deren Arbeitslosenquote zwei- bis dreimal so hoch ist wie die ihrer älteren Kolleginnen und Kollegen, sind besonders gefährdet.
Um der Abwanderung vorzubeugen, stellt die EU daher die Bedürfnisse junger Menschen in den Fokus. Nach dem Vorbild der EU-Jugendgarantie werden hochwertige Beschäftigung, Weiterbildung, Lehrstellen und Praktika angeboten. Das schafft einerseits Lösungen und Perspektiven für junge Menschen, andererseits werden die NEET-Quoten (Not in Employment, Education, or Training) reduziert.
Geostrategische Bedeutung und EU-Integration
Trotz der jüngsten Herausforderungen im Integrationsprozess ist die EU weiterhin entschlossen, den Weg der Region in Richtung EU-Mitgliedschaft zu unterstützen. Der Rat für Auswärtige Angelegenheiten der EU hat wiederholt die strategische Bedeutung der Region hervorgehoben und auf Fortschritte bei EU-bezogenen Reformen gedrängt.
Der Rat rief dazu auf, die Beitrittsprozesse für Albanien und Nordmazedonien voranzutreiben und die EU-Integration von Serbien und Montenegro zu beschleunigen. Er drängte auch auf die rasche Wiederaufnahme des Dialogs zwischen Belgrad und Pristina und forderte die Lösung politischer Fragen für die Vorlage der EU-Reformagenda und die Beschleunigung des EU-Reformtempos im Falle von Bosnien und Herzegowina ab 2022 / falls Bosnien und Herzegowina ab 2022 Fortschritte erzielt.
Der Investitionsplan der EU hat bereits erhebliche Fortschritte gemacht, mit mehreren Vorzeigeprojekten, die in Arbeit sind. Beispielsweise wird die Friedensautobahn zwischen Niš (Serbien) und Pristina (Kosovo) gebaut, um den regionalen Handel und die Mobilität zu verbessern (weitere Informationen hier: Flagship Endorsed Investments).
Sowohl im EU-Wirtschafts- und Investitionsplan (EIP) als auch im neuen Wachstumsplan spielen grüne Investitionen eine entscheidende Rolle, um die nachhaltigen Entwicklung des westlichen Balkans zu fördern. Geplant sind umfangreiche Investitionen in Projekte für erneuerbare Energien wie Windparks und Solarkraftwerke - vor allem in Nordmazedonien, Albanien und Bosnien und Herzegowina - in Zusammenarbeit mit EU-Entwicklungsbanken, Garantien und anderen verfügbaren Instrumenten. Diese Initiativen zielen darauf ab, den CO2-Fußabdruck der Region zu verringern und auf sauberere Energiequellen umzustellen. Zusätzlich gibt es Mittel, um die Energieeffizienz zu verbessern, eine umweltfreundliche Infrastruktur zu entwickeln sowie nachhaltige Praktiken in verschiedenen Branchen zu fördern. Durch die Priorisierung von grünem Wachstum und Innovation zielen diese EU-Initiativen nicht nur auf die Bewältigung ökologischer Herausforderungen ab, sondern auch auf die Schaffung neuer wirtschaftlicher Möglichkeiten, um den westlichen Balkan zu einer wettbewerbsfähigen, ökologisch nachhaltigen und widerstandsfähigen Region zu machen.
Der neue EU-Wachstumsplan, der 2023 angenommen wurde, soll den Weg der Region in Richtung EU-Mitgliedschaft weiter beschleunigen, indem der Schwerpunkt auf Reformen, verstärkte finanzielle Unterstützung und nachhaltiges Wirtschaftswachstum gelegt wird. Eine Schlüsselkomponente dieses Plans ist die schrittweise Integration der westlichen Balkanländer in den EU-Binnenmarkt in bestimmten Bereichen, um ihnen einen frühen Zugang zu den Vorteilen einer Vollmitgliedschaft zu ermöglichen. Dieser stufenweise Ansatz zielt auf kritische Sektoren wie den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr, den Straßenverkehr, Energie, Elektrizität und die digitale Wirtschaft, einschließlich elektronischer Handel und Cybersicherheit. Durch die schrittweise Angleichung dieser Sektoren an die EU-Standards soll der Plan wirtschaftliche Lücken schließen, das Wachstum ankurbeln, die regionale Zusammenarbeit fördern und die Konvergenz der westlichen Balkanstaaten mit dem europäischen Markt vorantreiben.
Der von der EU angenommene neue Wachstumsplan beschleunigt den Weg der Region in Richtung EU-Mitgliedschaft und konzentriert sich auf vier Hauptziele:
- Beschleunigung der Reformen - Stärkung der Regierungsführung, der Rechtsstaatlichkeit, der Justiz und der öffentlichen Verwaltung.
- Weg zur EU-Mitgliedschaft - Verbesserung der Integrationsvorteile wie der Zugang zu bestimmten EU-Binnenmarktbereichen.
- Nachhaltiges Wirtschaftswachstum - Förderung von Investitionen in den grünen und digitalen Wandel bei gleichzeitiger Förderung der regionalen Zusammenarbeit.
- Verstärkte finanzielle Unterstützung - Einführung der Reform- und Wachstumsfazilität, die Zuschüsse und zinsgünstige Darlehen mit Unterstützung von internationalen Finanzinstitutionen und Geschäftsbanken bereitstellt.
Neue Wachstumsplan-Finanzierung: 6 Milliarden Euro an Zuschüssen und Darlehen
Darüber hinaus wird die wirtschaftliche Entwicklung der Region durch Faktoren wie eine begrenzte Infrastruktur und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit behindert.
Daher konzentriert sich der EIP auf mehrere Schlüsselsektoren, die für das Wirtschaftswachstum und die Entwicklung der Region von entscheidender Bedeutung sind:
- Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung: Der westliche Balkan verfügt über einen starken Agrarsektor, der jedoch mit Herausforderungen wie geringer Produktivität und begrenztem Zugang zu den Märkten zu kämpfen hat. Der EIP zielt darauf ab, die Modernisierung des Agrarsektors zu unterstützen und die wertschöpfende Lebensmittelverarbeitung zu fördern.
- Tourismus: Die Region verfügt über ein großes Tourismuspotenzial, muss jedoch in Infrastruktur, Marketing und nachhaltige Tourismuspraktiken investieren. Der EIP unterstützt die Entwicklung der Tourismusinfrastruktur und die Förderung des kulturellen Erbes der Region.
- Bergbau und Bodenschätze: Der Westbalkan ist reich an Bodenschätzen, doch der Bergbausektor steht vor Herausforderungen wie Umweltproblemen und Korruption. Der EIP fördert verantwortungsvolle Bergbaupraktiken und unterstützt die Entwicklung von wertschöpfenden Industrien auf der Grundlage von Bodenschätzen.
- Fertigung: Die Region verfügt über einen wachsenden Fertigungssektor, muss jedoch diversifizieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Mit dem EIP sollen Fertigungscluster entwickelt sowie Innovation und Technologie gefördert werden.
- Dienstleistungen: Der Dienstleistungssektor trägt wesentlich zur Wirtschaft der Region bei und birgt ein erhebliches Wachstumspotenzial. Der EIP unterstützt die Entwicklung des Dienstleistungssektors, insbesondere in Bereichen wie IT, Outsourcing von Geschäftsprozessen und Tourismus.
Der Weg zur EU-Integration ist komplex: Politische Instabilität und Korruption müssen überwunden und starke institutionelle Kapazitäten sichergestellt werden. Werden diese Herausforderungen bewältigt und die Pläne wirksam umgesetzt, können die westlichen Balkanstaaten ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum erreichen und ihre Konvergenz mit der EU beschleunigen.


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