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Recycling in Österreich, Europa und global: Harald Hauke über die Entwicklungen der Abfallwirtschaft

Harald Hauke, Vorstandssprecher der ARA AG, teilt mit uns in diesem Interview interessante Informationen zum Thema Abfallmanagement. Spannende Zahlen und Fakten, die neuesten Innovationen sowie die Herausforderungen in dem Bereich besprechen Dr. Markus Hengstschläger und Harald Hauke in unserem 30-minütigen Interview. 


  • By Markus Hengstschläger
  • Nachhaltigkeit

Dr. Markus Hengstschläger befragt in unserem Interview Harald Hauke, Vorstandssprecher der Altstoff Recycling Austria AG, über die Entwicklungen im Abfallmanagement, Kreislaufwirtschaft, Stoffstrommanagement und vielen weiteren Themen. Seit Herbst 2022 ist Hauke nun schon als Vorstandssprecher bei der ARA AG tätig und legt einen verstärkten Fokus auf Kundennutzen und Digitalisierung. 

Der Schutz unserer Umwelt und die effiziente Nutzung unserer Ressourcen sind heutzutage von größter Bedeutung. Laut Hauke haben wir es in Österreich bereits geschafft, bei Papier, Glas und Metall die 2030 Recycling-Ziele der EU zu erfüllen bzw. zu übertreffen. Dass Österreich im Bereich der Abfallwirtschaft gut performt, zeigt sich auch durch den Circularity Gap Report. 

Wie funktioniert die Kreislauf-wirtschaft?

Ein wichtiger Bericht, der sogenannte „Circularity Gap Report", zeigt, dass die Welt insgesamt nur zu 7,2 % zirkulär ist. Dabei liegt Österreich mit einem Anteil von 10 % an zirkulären Produkten bereits über dem weltweiten Durchschnitt. Doch was bedeutet eigentlich „zirkulär"?

Die Idee der Kreislaufwirtschaft besteht darin, Materialien so lange wie möglich im Kreislauf zu halten. Das bedeutet, dass wir versuchen, so viel wie möglich aus einem Produkt herauszuholen, sobald es nicht mehr verwendet wird. Aus diesem Sekundärmaterial kann dann ein neues Produkt hergestellt werden. Dies erfordert bereits beim Produktdesign ein Umdenken, um sicherzustellen, dass die Verpackung oder das Produkt am Ende seines Lebenszyklus gut in den Recyclingprozess zurückgeführt werden kann. Dieses Konzept wird als „Circular Design“ bezeichnet.

Um Unternehmen bei dem Design der Verpackungen sowie mit hilfreichen Informationen zu unterstützen, stehen ihnen Experten der Altstoff Recycling Austria (ARA) zur Verfügung. Die ARA bewertet den Recyclinggrad von Produkten und gibt wertvolle Einschätzungen ab.

Die 3 Rs der Abfallwirtschaft

Die Abfallpyramide setzt sich aus den 3 Rs zusammen:

  • Reduce (Vermeidung und Reduktion von Abfall)
  • Reuse (Wiederverwendung von Materialien)
  • Recycling

Richtiges Recycling kann eine große Wirkung erzielen. Ein gutes Beispiel dafür ist Glas. Pro 10 % Glasscherben reduziert man den CO2-Footprint um 7 % und spart 2 % an Energie. 

Um unsere Recyclingkapazitäten weiter zu verbessern, wird derzeit die modernste Recyclinganlage Europas in Enns, Oberösterreich, mit einer Kapazität von 100.000 Tonnen gebaut. Mit mehr als 40 Nahinfrarot-Geräten und künstlicher Intelligenz, die den Stoffstrom analysiert, werden die Technologien immer besser und die Kosten des Recyclings können reduziert werden.

Ein wesentlicher Prozess hier ist das sogenannte Stoffstrommanagement. Hier ist die Aufgabe, die verschiedenen Materialien richtig zu trennen, sodass diese wiederverwendet werden können. Beim richtigen Trennen von Kunststoffen, Glas, Papier, usw. kann der Sekundärrohstoff wieder zur richtigen Industrie zur Wiederverwertung geführt werden. 

Wie gelangt Plastik in die Meere?

Die Plastikverschmutzung in den Meeren ist ein globales Umweltproblem von enormem Ausmaß. Besonders besorgniserregend ist, dass der größte Teil des Plastikmülls von lediglich 9-10 Flüssen stammt, davon 8 in Asien und 2 in Südafrika. Um diesem Problem entgegenzuwirken, ist es von großer Bedeutung, in diesen Regionen eine funktionierende Abfallwirtschaft aufzubauen. Das Know-how und die Erfahrungen aus Europa könnten hierbei einen entscheidenden Beitrag leisten. In Europa haben wir bereits erhebliche Fortschritte bei der Bewältigung der Plastikverschmutzung gemacht, aber es ist wichtig zu erkennen, dass wir alle noch mehr tun müssen. Denn auch wenn Europa bereits gut dasteht, können wir allein die Plastikverschmutzung im Meer nicht ausreichend reduzieren. Mehr als 50 % des Plastikmülls im Meer stammen tatsächlich aus dem Fischfang.

Verpackungen, Wiederverwenden von Produkten und Regelungen bewegen die Abfallwirschaft

In Österreich wird aktuell die Packaging Waste Regulation diskutiert, die darauf abzielt, Verpackungen nur so groß zu gestalten, dass das Produkt ausreichend geschützt ist und sich logistisch gut bewegen lässt. Marketingaspekte treten dabei in den Hintergrund. Allerdings können Verpackungen durchaus sinnvoll sein, wenn sie das Produkt effektiv schützen. Dies kann beispielsweise bei Lebensmitteln der Fall sein. Bei Lebensmitteln macht das eigentliche Produkt etwa 97 % des CO₂-Fußabdrucks aus, während die Verpackung nur 1-2 % ausmacht. Wenn wir beispielsweise an der Verpackung sparen und eine Gurke nach einer Woche statt nach zwei Wochen verdirbt, hat dies erheblich negativere Auswirkungen. 
Ein weiterer Ansatz zur Reduzierung von Abfall ist die Wiederverwendung von Produkten. Insbesondere die Reparatur von Produkten ist eine absolut sinnvolle Maßnahme, die jedoch auch von der Qualität des jeweiligen Produkts abhängt. Hier ist ein Umdenken in der Wirtschaft erforderlich, da wir derzeit oft auf Wachstum ausgerichtet sind und weniger auf Reparatur und Langlebigkeit setzen.

Es ist positiv zu sehen, dass sich die Regelungen in der Abfallwirtschaft tendenziell in die richtige Richtung entwickeln. Im vergangenen Jahr wurden beispielsweise in den Webinaren der ARA AG etwa 4.500 Unternehmen über das Abfallwirtschaftsgesetz und die entsprechenden Verordnungen informiert. Es handelt sich hierbei um komplexe Vorschriften. Um diese Vorschriften auch effektiv umsetzen zu können, werden in diesen Schulungen bis zu 1.000 Teilnehmer pro Webinar über die Auswirkungen der Änderungen informiert.

Der richtige Umgang mit Verpackungen und ihre ordnungsgemäße Entsorgung sind entscheidend, um das Problem des Plastikmülls anzugehen. Sobald etwas versehentlich im Restmüll landet, ist es für das Recycling verloren. In Europa sammeln wir pro Kopf etwa 150 kg Verpackungsmüll. Wir produzieren pro Kopf etwa 500 kg Siedlungsabfall und insgesamt etwa 5000 kg Abfall pro Kopf pro Jahr. Großteil des Abfalls ist jene Art von Abfall, der verbaut ist und in anthropogene Lager gebracht wird. 

Welche Innovationen wurden vorangetrieben und wie steht die Gesellschaft dem Abfallmanagement gegenüber?

Innovationen spielen eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der Abfallproblematik. Sortiertechnologien und Digitalisierung haben es ermöglicht, über eine Million Tonnen Verpackungsmüll in 130 Sammelstellen zu sammeln. Alle diese Sammelstellen sind über eine Software vernetzt, und bis zu 1000 Lastwagen entleeren täglich die Container. Eine weitere interessante Innovation ist die Digi-Cycle App, mit der man Produkte, wie beispielsweise einen Joghurtbecher, scannen kann, um Informationen darüber zu erhalten, wie sie recycelt werden sollen. Zudem zeigt die App den Standort der nächstgelegenen gelben Tonne an.

Laut Studien haben jedoch immer noch 10-15 % der österreichischen Bevölkerung eine unzureichende Einstellung zur Mülltrennung. Ein klassisches Beispiel ist etwas Müll beim Fahren aus dem Auto zu werfen. Es gibt bestimmte Gruppen von Menschen, die weniger bereit sind, Müll zu sammeln und zu recyceln, wie es Sinus-Milieustudien zeigen.

Für den Endkonsumenten ist wichtig zu wissen, dass Kunststoff unbedingt in der gelben Tonne landen soll. Restmüll hat einen Brennwert, vergleichbar mit Braunkohle. Es ist also nicht notwendig, zusätzlich Kunststoff beizumischen, damit der Müll verbrennt. In Europa gilt außerdem ein Deponieverbot für Restmüll. Es wird angestrebt so wenig wie möglich zu verbrennen und so viel wie möglich zu recyclen, um den CO₂-Fußabdruck zu minimieren. 

Sowohl die Wirtschaft als auch die Gesellschaft und die Politik müssen sich zusammenschließen, um das Problem des Plastikmülls effektiv anzugehen. Es ist wichtig, den Mehrwert des aktiven Klimaschutzes für die Verbraucher zu kommunizieren und sie darüber zu informieren. Die Bildung und Sensibilisierung der Bürger, angefangen bei den Kindern, ist von großer Bedeutung. Recycling sollte so einfach wie möglich gestaltet werden, um sicherzustellen, dass die Menschen ihre Begeisterung für das Recycling nicht verlieren.

Nur durch das gemeinsame Engagement von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik können wir eine nachhaltige Zukunft schaffen, in der die richtige Entsorgung von Verpackungen und aktiver Klimaschutz selbstverständlich ist.

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