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Nachhaltigkeit im Immobilienbereich: Vom Compliance-Thema zum Geschäftsmodell

Ein innovatives Tool verwandelt die über 100 Seiten starke EU-Taxonomie-Verordnung in eine 5-minütige Bewertung.

  • By Anna-Vera Deinhammer, Klaus Michal, Evamaria Hammerschmid
  • Nachhaltigkeit

Die EU-Taxonomie, eingeführt zur Förderung von Nachhaltigkeit und Klimaschutz, erhöht den Druck auf die verschiedenen Akteure im Immobiliensektor. Das neue intuitive QuickCheck-Tool, das im Studienbereich Real Estate Management an der FHWien der WKW unter Mitwirkung der RBI entwickelt wurde, verspricht Unterstützung beim Durchforsten des komplexen Regulierungsdschungels. Das folgende Interview mit Anna-Vera Deinhammer, Stiftungsprofessorin für nachhaltige Immobilienentwicklung an der FHWien der WKW, dem RBI-Experten für Immobilienfinanzierung Klaus Michal und der RBI-Expertin für nachhaltige Finanzierung Evamaria Hammerschmid gibt Einblicke in den Prozess, diskutiert die Rolle der nachhaltigen Finanzierung und zeigt, warum wir Nachhaltigkeit als Business Case betrachten müssen. 

Was ist die EU-Taxonomie und warum ist sie für nachhaltige Finanzierungen wichtig?

Evamaria Hammerschmid (RBI): Die EU-Taxonomie ist im Grunde ein Klassifizierungssystem der Europäischen Union, um zu klären, was tatsächlich als ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeit gilt. Man kann sich das wie eine gemeinsame Sprache für „grün“ vorstellen. Diese Klarheit ist wichtig: Sie hilft Investoren, Banken und Vermögensverwaltern, Geld in wirklich nachhaltige Aktivitäten zu lenken und verringert das Risiko von Greenwashing. 

Inwiefern ist die EU-Taxonomie für den Immobiliensektor relevant?

Anna-Vera Deinhammer (FHWien): Der Immobiliensektor ist sowohl Treiber als auch Opfer des Klimawandels. Konkret verursachen Gebäude in der EU rund 40% des Endenergieverbrauchs und etwa 36% der energiebezogenen CO₂-Emissionen. In Österreich ist die Bau- und Immobilienbranche für etwa 25% der CO₂-Emissionen, 40% der Abfallerzeugung und rund 12% der Wirtschaftsleistung verantwortlich. 

Gleichzeitig hat der Klimawandel erhebliche Auswirkungen auf den Immobiliensektor: Extreme Wetterereignisse, veränderte Heiz- und Kühlbedürfnisse sowie regulatorische Anforderungen bestimmen zunehmend den Wert und die Nutzbarkeit von Immobilien. Ohne eine taxonomiekonforme Sanierung laufen bestehende Gebäude Gefahr, zu sogenannten „gestrandeten Vermögenswerten” zu werden – Vermögenswerten, die aufgrund regulatorischer oder marktbedingter Veränderungen erheblich an Wert verlieren. Die Umgestaltung des Gebäudebestands ist also nicht nur ein klimapolitisches Ziel, sondern auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit, um den maximalen Werterhalt zu gewährleisten. 

Die EU-Taxonomie ist auch im Zusammenhang mit der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) relevant. Große Unternehmen müssen offenlegen, welcher Anteil ihrer Einnahmen, Investitionen und Betriebsausgaben taxonomiekonform ist. Das macht taxonomiekonforme Immobilien für Finanzinstitute attraktiver, die ebenfalls ihre taxonomiekonformen Kennzahlen offenlegen müssen. In der Praxis führt das zu einem besseren Zugang zu grünen Finanzprodukten. 

Vor welchen Herausforderungen stehen Kunden und Banken, wenn es darum geht, Immobilienprojekte an die Kriterien der EU-Taxonomie anzupassen?

Evamaria Hammerschmid (RBI): Eine der größten Herausforderungen für Kunden ist die Komplexität der Kriterien und die Schwierigkeit, sie in der Praxis zu interpretieren. Immobilienprojekte erfordern sehr detaillierte Daten, beispielsweise Energieeffizienz-Benchmarks oder Lebenszyklusanalysen. Diese sind oft schwer zu beschaffen, insbesondere für ältere Gebäude. Hinzu kommt, dass technische Bewertungen kostspielig sind, sich die Kriterien noch in der Entwicklung befinden und die Interpretationen variieren. Die Folge ist Unsicherheit auf dem gesamten Markt. Und obwohl die Bauvorschriften in Europa bereits recht streng sind, führt die EU-Taxonomie eine zusätzliche Ebene von Nachhaltigkeitskriterien ein und die Messlatte liegt damit noch höher. 

Für uns bei der RBI, die wir in ganz Mittel- und Osteuropa tätig sind, ist eine weitere Herausforderung die uneinheitliche Umsetzung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD). Das macht es schwierig, die Taxonomie in unserem Netzwerk einheitlich anzuwenden. Projekte können nur mit expliziten Nachweisen als taxonomiekonform eingestuft werden, und diese Nachweise sind nicht immer verfügbar. 

Insgesamt besteht die eigentliche Herausforderung darin, hochtechnische Vorschriften in praktische Anforderungen auf Projektebene zu übersetzen, mit denen Kunden und Banken arbeiten können. 

Und das „QuickCheck-Tool” hilft bei diesen Herausforderungen?

Klaus Michal (RBI): Ja, Prof. Deinhammer und wir arbeiten derzeit an diesem Tool, das die Interaktion mit Kunden vereinfacht, indem es komplexe Anforderungen der EU-Taxonomie in klare, praktische Kriterien übersetzt. Es dient als Hilfsmittel für eine erste Überprüfung, ob ein Projekt die wichtigsten Taxonomie-Kriterien erfüllt, und bestimmt die Daten und Unterlagen, die zum Nachweis erforderlich sind, wie z. B. die EPC-Klasse oder Energiebedarfs-Benchmarks. Diese Klarheit reduziert Unsicherheiten und langwierige Diskussionen. Außerdem erhalten Kunden frühzeitig einen Eindruck davon, ob ihr Projekt auf dem richtigen Weg ist, um die Taxonomie-Kriterien zu erfüllen, und welche Anpassungen möglicherweise notwendig sind. So verlagert das Tool den Fokus der Diskussion von Compliance-Herausforderungen hin zu konstruktiven Leitlinien.

Wie wird das Tool im Geschäftsalltag aussehen und was sind seine Hauptvorteile?

Anna-Vera Deinhammer (FHWien): Das QuickCheck-Tool selbst ist ein praktisches, Excel-basiertes Screening-Instrument, das durch eine detaillierte Publikation ergänzt wird. Zu beachten ist, dass dieses Tool lediglich eine vorläufige Bewertungsphase darstellt, die einem umfassenden EU-Taxonomie-Check vorausgeht, wie ihn beispielsweise die Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) durchführt. Der QuickCheck stützt sich speziell auf Daten aus Energieausweisen, die sich auf NZEB-Kriterien (Nearly Zero Energy Building) beziehen. Professionelle EU-Taxonomie-Checks können anschließend auf dieser ersten QuickCheck-Bewertung aufbauen. 

Die Stärke des Tools liegt in seiner Einfachheit. Es verwandelt die über 100 Seiten starke EU-Taxonomie-Verordnung in eine 5-minütige Bewertung. Banken wie die RBI können es als Unterstützung für schnelle Kreditbewertungen nutzen, Bauträger wie BUWOG zur Hilfe bei der Überprüfung der Projektplanung und Portfoliomanager für die Identifizierung von Vermögenswerten, die für eine grüne Finanzierung in Frage kommen könnten. Indem wir die Bewertungszeit von Wochen auf Minuten reduzieren, beseitigen wir einen großen Engpass bei nachhaltigen Immobilientransaktionen. 

Ein weiterer Vorteil ist, dass es einen gemeinsamen Bewertungsstandard ermöglicht. Das erleichtert erheblich die Zusammenarbeit zwischen bisher getrennten Interessengruppen. Und da es auf Excel läuft, ist das Tool ohne spezielle Software oder Schulungen universell zugänglich. Jede Organisation, von kleinen Regionalbanken bis hin zu internationalen Bauträgern, kann es sofort implementieren. Dieser niederschwellige Ansatz ist unerlässlich für eine schnelle Einführung. 

Schließlich kann das Tool auch als Frühwarnsystem dienen. Immobilienbesitzer können nicht konforme Gebäude frühzeitig identifizieren und Renovierungen strategisch planen. Das ist wichtig, da Österreich seine Renovierungsquote von 1,4 % auf 2,8 % erhöhen muss, um die Klimaziele für 2040 zu erreichen. 

Wie verbessert die Zusammenarbeit mit der RBI Ihrer Meinung nach die Wirksamkeit des Projekts?

Anna-Vera Deinhammer (FHWien): Die RBI bringt die Perspektive des Finanzmarktes ein und zeigt, wie sich die Angleichung der Taxonomie auf die Kreditbedingungen und den Zugang zu Finanzierungen auswirkt. Außerdem gehört sie zu den ersten österreichischen Banken, die seit 2022 ihre finanzierten Emissionen nach dem Standard der Partnership for Carbon Accounting Financials (PCAF) bilanzieren, und hat schon praktische Erfahrung in der Bewertung von Immobilienportfolios unter Nachhaltigkeitsaspekten. 

Unsere Feedback-Sitzungen mit der RBI und anderen Interessengruppen waren sehr wertvoll. So können wir schnell iterieren und sicherstellen, dass das Tool auch den tatsächlichen Anforderungen des Finanzmarktes entspricht. 

Durch diese Zusammenarbeit verstehen wir besser, wie Nachhaltigkeit sich von einem Compliance-Thema zu einem Geschäftsmodell wandelt. Banken wie die RBI demonstrieren das, was wir als „vierfachen Gewinn“ bezeichnen: finanzielle Stabilität durch geringeres Ausfallrisiko, Energieeffizienz und Versorgungssicherheit, Bauqualität und Komfort sowie Vorteile für Gesundheit und Umwelt. Diese umfassende Wertschöpfung macht Green Finance über die regulatorischen Anforderungen hinaus attraktiv. 

Wie sieht die RBI ihre Rolle bei der Förderung der EU-Taxonomie im Immobiliensektor?

Klaus Michal (RBI): Wir wollen ein vertrauenswürdiger Partner sein und unseren Kunden Beratung zu den Anforderungen der EU-Taxonomie und zu Best Practices bieten. Auch wenn wir keine technischen und juristischen Experten sind und keine vollständige technische oder juristische Bewertung ersetzen können, bieten wir unseren Kunden eine erste Orientierung, damit sie sich in diesem Prozess zurechtfinden und fundierte Entscheidungen treffen können. 

Damit ESG-Faktoren in unsere Finanzierungsprozesse für Immobilienprojekte miteinbezogen werden, haben wir ein umfassendes ESG-Framework entwickelt, das sich an internationalen Standards orientiert, also auch an der EU-Taxonomie. Wir arbeiten außerdem eng mit Stakeholdern zusammen, von Projektentwicklern bis hin zu Regulierungsbehörden, und achten darauf, dass Projekte im Einklang mit übergeordneten Nachhaltigkeitszielen sind. Wir betrachten also ESG nicht nur als Risikofaktor. Wir fördern auch positive Beispiele, die unseren Kunden einen Mehrwert bieten. Und unsere Aufgabe endet nicht mit der Gewährung der Finanzierung: Wir überwachen weiterhin die ESG-Leistung der finanzierten Projekte und berichten regelmäßig über die Einhaltung von Vorschriften und Verbesserungen. Indem wir uns für die kontinuierliche Weiterentwicklung der ESG-Praktiken engagieren, sorgen wir dafür, dass die unterstützen Projekte finanzielle Renditen erzielen und gleichzeitig positive Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt haben. 

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